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Projektbeschreibung

Die Geschichte der Psychiatrie ist eine Geschichte der Differenz von „normal“ und „verrückt“. Diese Differenz wird jedoch zunehmend brüchig. Einerseits gewinnt das Verrückte mit der Öffnung der psychiatrischen Anstalten und Integration der Insass*innen in die Gesellschaft eine alltägliche Normalität; andererseits werden Verhaltens- und Reaktionsweisen wie Rausch, Stress oder Aufmerksamkeitsdefizit pathologisiert und Gegenstand psychiatrischer Interventionen. Damit verlieren bislang bewährte Narrative der Psychiatriegeschichtsschreibung ihre Deutungskraft, die sich gerade jener Dichotomie verdankt, die gegenwärtig in Frage steht. Hier setzt die Forschungsgruppe an. Sie versucht nicht, eine Veränderung der Konzepte von Verrücktheit nachzuzeichnen, sondern stellt die Erosion der Differenz von normal und verrückt im Umgang mit psychischer Alterität ins Zentrum.

Das gemeinsame Ziel der an der FOR beteiligten Projekte ist es, psychiatriegeschichtlich bislang nicht hinreichend analysierte Tendenzen als Ressource für die Zeitgeschichte zu mobilisieren. Umgesetzt wird dieses Ziel durch eine Dezentrierung des psychiatriehistorischen Gegenstandsfeldes, mit der jene Phänomenbereiche in den Blick genommen werden, die eher „quer“ zu etablierten Themen liegen:

 

1. Akteurskonstellationen, die neben Psychiater*in-nen und Patient*innen auch andere Betroffenen- und Berufsgruppen umfassen;

2. Logiken und Räume, die neben den politischen Logiken der klassischen Institutionen und ihren herkömmlichen Alternativen auch ökonomische und partizipative Rationalitäten einschließen und somit andere Lebenswelten und künstlerische Interventionen erschließen;

3. Methodische Zugriffe auf Praktiken und Techniken der Interaktion und Aushandlung im psychiatrischen Feld, die auch Medieneinsatz, Kommunikationsstrategien und Aneignungsweisen einbeziehen.

 

Die Forschungsgruppe ist interdisziplinär zusammengesetzt, um die Arbeit an den Phänomenen mit ethnologisch/ethnographischen, historisch/historiographischen, wissenschaftshistorisch/wissenschaftssoziologischen sowie medientheoretischen, kultur- und literaturwissenschaftlichen Ansätzen methodisch breit abzusichern. Aufgrund ihres Gegenstandsbereichs hat sie einen medizinhistorischen Schwerpunkt und will die Bezugsdisziplinen Psychiatrie, Psychologie und Soziale Arbeit in die Forschung einbeziehen.

Verantwortlichkeit: